Neue Studien aus Brasilien und England offenbaren Zusammenhänge zwischen oralen Bakterien und lebensbedrohlichen Hirnabszessen sowie mit Demenz und eingeschränktem Denkvermögen.
Es vergeht kaum eine Woche, ohne dass eine Forschungsarbeit zu den Folgewirkungen und Korrelationen einer Parodontitis erscheint. Seit einigen Jahren ist wissenschaftliche Gewissheit, was die Zahnärztin Dr. Maren Schmidt aus Berlin-Adlershof so formuliert: „Eine Parodontitis, die unbehandelt bleibt, gefährdet nicht nur die Zähne und den Zahnhalteapparat; vielmehr kann die chronische Entzündung auf lange Sicht verschiedenste Organe und Organsysteme schädigen – und sogar zu einem früheren Tod führen.“
Belegt ist beispielsweise ein deutlich erhöhtes Risiko kardiovaskulärer Komplikationen, wenn Menschen mit schwachem oder vorerkranktem Herz-Gefäß-System auch unter Parodontitis leiden. Das Gleiche gilt für Diabetiker mit Parodontitis. Zu den potenziell indirekt geschädigten Organen gehört auch das Gehirn – ein Zusammenhang mit Demenz wurde bereits in mehreren Studien offengelegt. Zwei neue Forschungsarbeiten widmen sich ebenfalls dem Einfluss schädlicher Oralbakterien auf das Gehirn.
Hirnabszess-Betroffene weisen auffällig häufig orale Bakterien auf
Wie Wissenschaftler der University of Plymouth im „Journal of Dentistry“ berichten, haben sie Abszessproben von 87 Hirnabszess-Patienten ausgewertet. Bei 52 dieser Patienten war keine Ursache für den Abszess bekannt. Wie die Forscher nun anhand der mikrobiologischen Daten herausfanden, weisen diese 52 dreimal so häufig Oralbakterien auf wie die anderen 35. Die Autoren schlussfolgern daraus, dass orale Bakterien an der Entstehung der Hirnabszesse beteiligt sein könnten. „Dies unterstreicht die Relevanz einer gründlichen Untersuchung der Mundhöhle als potenzielle Bakterienquelle bei Patienten mit Hirnabszessen“, kommentiert die Hauptautorin Dr. Holly Roy.
Parodontitis macht Einschränkung der Denkleistung wahrscheinlicher
In einer weiteren Studie sind brasilianische Forscher dem Zusammenhang zwischen Parodontitis und einer leichten Einschränkung des Denkvermögens oder Demenz nachgegangen, indem sie die diesbezügliche Forschungsliteratur systematisch auswerteten. Nach strengem Auswahlprozess blieben von zunächst 509 Veröffentlichungen acht valide Beobachtungsstudien übrig, auf die sich das Fazit der Wissenschaftler stützt: Es gibt einen signifikanten Zusammenhang zwischen Parodontitis und kognitiven Beeinträchtigungen. Menschen mit chronisch entzündetem Zahnhalteapparat haben ein höheres Risiko, dass ihre Denkleistungsfähigkeit abbaut.
Nicht belegt ist damit, dass die Parodontitis ursächlich für die Einschränkungen des Denkvermögens ist. Es könnte gar umgekehrt sein: Demenz könnte die Mundhygiene beeinträchtigen und daher Parodontitis begünstigen. Oder beides ist die Folge eines dritten Faktors. Trotz dieser Ungewissheit bleibt die Erkenntnis: Orale Bakterien wie bei einer Parodontitis stellen ein gesundheitliches Risiko dar. Eine effektive Mundhygiene und regelmäßige zahnärztliche Vorsorgeuntersuchungen sollten deshalb großgeschrieben werden.