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Was Zucker im Mund anrichtet

Schon ein Glas Apfelschorle pro Tag kann die Zusammensetzung der Bakterien im Mund nachhaltig ändern – nicht zum Besseren. Schuld ist der enthaltene Zucker.

Fast zweieinhalb Milliarden Menschen weltweit leiden Schätzungen zufolge unter Karies. Dass der Zuckerkonsum daran großen Anteil hat, ist kein Geheimnis. Doch welche Mechanismen der Zucker genau in Gang setzt, konnte bisher nur vermutet werden.

Weitverbreitet ist seit vielen Jahren die „erweiterte ökologische Plaque-Hypothese“. Ihr zufolge verdrängt der Zucker „gute“, also schützende, Bakterien aus der Mundflora. Zugleich werden „schlechte“ Bakterien, die schädliche Säure produzieren, vom Zucker gepäppelt, ihre Konzentration steigt. So wird das Kalzium im Zahn angegriffen und herausgelöst, Karies entsteht.

Forschern der Uni-Klinik Freiburg ist in Zusammenarbeit mit Kollegen vom Helmholtz-Zentrum München nun der experimentelle Beweis für diese Hypothese gelungen. Sie konnten nachweisen, dass Zuckerkonsum den bakteriellen Artenreichtum im Mund verringert und zugleich schädliche Bakterien wie Streptococcus begünstigt.

Probanden trugen Rinderzähne
Der Studienaufbau mutet etwas kurios an: Die Probanden lutschten drei Monate lang über den Tag verteilt jeweils zehn Gramm Kandiszucker – etwa so viel, wie in einem Glas Apfelschorle steckt. Dabei trugen sie mehrmals für sieben Tage eine Schiene mit Rinderzahnstücken im Mund, die sie nur zum Zähneputzen und Essen herausnahmen. Da Rinderzähne den menschlichen ähneln, werden sie häufig für Forschungszwecke eingesetzt. Auf den Stücken bildete sich im Laufe der Zeit ein Biofilm, dessen Bakterienzusammensetzung die Wissenschaftler anschließend untersuchten. Zum Vergleich hatten sie zuvor fünf Wochen lang die Probanden ohne Extra-Zuckerkonsum untersucht und die Rinderzahnstücke tragen lassen.

„Veränderte Ernährungsgewohnheiten führen offensichtlich recht schnell zu kariesspezifischen Veränderungen in der Mundflora. Besonders schädlich für die Zähne sind Lebensmittel wie Bonbons oder Fruchtdrinks für Kinder, bei denen der Zucker lange im Mund bleibt“, kommentiert Studienleiter Prof. Dr. Elmar Hellwig, Ärztlicher Direktor der Klinik für Zahnerhaltungskunde und Parodontologie des Universitätsklinikums Freiburg, die Studienergebnisse.

Auch Praktiker wie die Zahnärztin Dr. Maren Schmidt aus Berlin-Adlershof warnen eindringlich vor den zahnmedizinischen Gefahren des Zuckers: „Obwohl die Kariesvorsorge in den letzten Jahrzehnten – insbesondere durch Fluoridierung – immer besser funktioniert, sehe ich noch immer Tag für Tag, was der hohe Zuckerkonsum den Zähnen antut. Immerhin konsumieren die Deutschen pro Tag durchschnittlich 90 Gramm des süßen Stoffs, viel mehr als nötig. Ein wesentlicher Grund dürften die vielen ‚versteckten Zuckerbomben‘ sein, die sich in den Supermarktregalen finden. Im Interesse der eigenen Zahngesundheit bzw. der der Kinder sollte man immer ein Auge auf die Zuckeraufnahme haben.“