Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH), die bei Kindern sogenannte Kreidezähne entstehen lässt, stellt die Wissenschaft vor ein Rätsel. Nun liefert eine australisch-chilenische Studie einen neuen Erklärungsansatz.
Der Leidensdruck für betroffene Kinder und deren Eltern ist häufig enorm: Die Molaren-Inzisiven-Hypomineralisation (MIH) führt zunächst zu Verfärbungen des Zahnschmelzes, der dann oft porös und zunehmend schmerzempfindlich wird. „Besonders auf Kälte und Hitze reagieren die erkrankten Zähne überempfindlich, aber schon das normale Kauen kann zur Tortur werden. Auch das Zähneputzen geht für zahlreiche Betroffene mit heftigen Schmerzen einher“, erläutert die in Berlin-Adlershof praktizierende Zahnärztin Dr. Maren Schmidt. „Hinzu kommt ein deutlich erhöhtes Risiko für Karies und Abszesse.“
Welche Ursache den sogenannten Kreidezähnen – von denen laut 5. Deutscher Mundgesundheitsstudie mehr als jedes vierte zwölfjährige Kind heimgesucht wird – zugrunde liegt, ist in der Wissenschaft umstritten. Klar ist: Die Zahnschmelz-Mineralisation verläuft gestört, wodurch im Gewebe mehr Wasser und Proteine und weniger Mineralien enthalten sind als üblich. Als Auslöser stehen genetische Veranlagung, bestimmte Medikamente wie Antibiotika, Geburtskomplikationen, Vitamin-D-Mangel, Dioxine, Weichmacher und Erkrankungen während der Schwangerschaft oder in den ersten vier Lebensjahren im Verdacht. Diese Aufzählung lässt erahnen, dass die Forschung von einem belastbaren Ansatzpunkt für prophylaktische Maßnahmen noch weit entfernt ist.
Sind eigentlich harmlose Kinderkrankheiten verantwortlich?
Im Fachjournal „Frontiers of Physiology“ wurde nun eine Studie veröffentlicht, die das Rätsel zu lösen verspricht. Ein Forscherteam der University of Melbourne und der University of Talca (Chile) kommt zu dem Schluss, dass das Protein Albumin bei der MIH-Entstehung den Ausschlag gibt. Es zirkuliert vor allem im den Zahn umgebenden Blut und der Gewebsflüssigkeit und bindet die Zahnschmelz-Mineralkristalle, wenn es bei der Zahnentwicklung damit in Berührung kommt. In der Folge wird das Wachstum der Kristalle gehemmt. Die Ursache für diese Fehlentwicklung sehen die Forscher in Kinderkrankheiten, die eigentlich harmlos verlaufen, etwa Fieber.
Damit wird nach Meinung der Forscher ein Irrglaube korrigiert, der die MIH-Diskussion seit mehr als vier Jahrzehnten dominiert: dass die Schmelz bildenden Zellen einen Defekt aufweisen. Diese Erkenntnis berge die Grundlage für die Entwicklung von Prophylaxemaßnahmen, für die aber zunächst noch weitere Ursachenforschung betrieben werden müsse.