Mit innovativen, sanften Methoden wollen Forscher der großen Zahnvolkskrankheit beikommen. Nicht nur für Angstpatienten eine vielversprechende Entwicklung.
Ein Großteil der Kosten von 442 Milliarden Euro, die Zahnerkrankungen pro Jahr weltweit verursachen, geht auf Karies zurück. Fast jeder Patient im Erwachsenenalter hat die Diagnose schon einmal aus dem Mund seines Zahnarztes gehört – und die nicht sehr beliebte Behandlung mit dem Bohrer über sich ergehen lassen, damit das befallene Gewebe entfernt wird. Dazu gibt es bislang keine wirksame Alternative.
Doch in der Forschungspipeline stecken aktuell verheißungsvolle Ansätze zur Kariesbekämpfung, bei denen teilweise ganz auf den Bohrer verzichtet werden kann. Vor allem bakterielle Verfahren geben Anlass zur Hoffnung. Bakterien sind es schließlich, die Karies antreiben, denn sie wandeln den mit der Nahrung aufgenommenen Zucker in Säure um. Und diese wiederum lässt den Zahn „faulen“. Wer also die bakteriellen Übeltäter stoppen kann, hält damit auch die Karies auf.
Das versuchen etwa Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in Braunschweig. Sie setzen dabei auf einen Naturstoff namens Carolacton, der von Bodenbakterien zur Abwehr ihrer Nahrungskonkurrenten eingesetzt wird. Im menschlichen Mund könnte er beispielsweise einer Keramikfüllung zugesetzt werden, um die gefährdeten Lücken zwischen Zahn und Füllung zu schützen. Laborversuche erbrachten positive Ergebnisse, nun stehen klinische Tests an Patienten an.
Andere Forscher, so an der Leipziger Poliklinik für Zahnerhaltung und Parodontologie, stellen alte Behandlungsgrundsätze infrage. So wird derzeit untersucht, ob die Kariesbakterien eigentlich tatsächlich komplett ausgebohrt werden müssen – oder ob man sich nicht einfach mit einer Füllung „einschließen“ kann, mit der Folge, dass sie schließlich absterben.
An der University of Connecticut dagegen wird mit Unterstützung des Pharmariesen BASF mit Milchsäurebakterien experimentiert. In bestimmten Mischungen unterbinden sie weitgehend das Wachstum der Kariesbakterien. Ein kroatisches Unternehmen produziert bereits eine Zahncreme, die auf solche probiotischen Mikroorganismen setzt. Es wird mit Sicherheit nicht das letzte Zahnpflegeprodukt nach diesem Prinzip sein.
Noch innovativer gehen Forscher des King’s College in London an das Kariesproblem heran. Kleine elektrische, für den Patienten schmerzfreie Impulse sollen den Zahnschmelz stärken, indem sie den Phosphat- und Mineraliengehalt erhöhen.
Diese Ansätze zeigen, dass das letzte Wort in der Kariesbekämpfung noch lange nicht gesprochen ist. Wer den Zahnarztbohrer fürchtet, kann sich daher auf die Zukunft freuen.