Mehr als 600 Virenarten fanden Forscher auf benutzten Zahnbürsten. Das sei jedoch nicht nur unbedenklich, sondern sogar nützlich.
Es klingt nicht nur für hygienesensible Naturen zunächst regelrecht schockierend, was ein Forscherteam der Northwestern University in Evanston (Illinois, USA) in einer Studie herausgefunden hat. Deren Ziel war es, das Vorkommen von Mikroben in typischen Haushalten zu erheben. Da jene feuchte Umgebungen bevorzugen, ließen sich die Wissenschaftler benutzte Zahnbürsten und Duschköpfe einsenden. Und sie wurden fündig: Mehr als 600 verschiedene Virenarten wurden in einzelnen Proben entdeckt – neben zahlreichen Bakterienarten, die aber keine Überraschung darstellten und nicht im Fokus der Untersuchung standen.
„Die Anzahl der Viren, die wir gefunden haben, ist absolut verrückt“, kommentiert die Studienleiterin Erica Hartmann die in der Fachzeitschrift „Frontiers in Microbiomes“ publizierten Ergebnisse. Viele der Virenarten waren den Forschern neu. Fast noch erstaunlicher: Jede Probe brachte ihre eigenen Viren hervor, es gab kaum Schnittmengen. „Jeder Duschkopf und jede Zahnbürste ist wie eine eigene kleine Insel“, so Hartmann.
Kein Anlass für antimikrobielle Maßnahmen
Dieser Befund sollte indes niemanden veranlassen, die Zahnbürste in mikrobiell wirkende Reinigungsmittel zu tauchen oder nur noch antimikrobielle Bürsten zu verwenden. Denn bei den Viren handelt es sich um sogenannte Bakteriophagen, das heißt, sie greifen Bakterien an und pflanzen sich in ihnen fort. Damit sind sie für uns Menschen sogar nützlich. In den letzten Jahren wird verstärkt ihre Anwendung in der Therapie antibiotikaresistenter bakterieller Infektionen erforscht. Besonders interessant sind Bakteriophagen, die gezielt Mykobakterien attackieren, denn diese können eine Vielzahl schwerer Erkrankungen verursachen.
Das Forscherteam betont deshalb, dass es ausreiche, Zahnbürsten regelmäßig zu ersetzen. Wer die Viren eliminiere, riskiere die Bildung antibiotikaresistenter Bakterien. „Mikroben sind überall, und die große Mehrheit von ihnen macht uns nicht krank“, stellt Hartmann klar. „Je mehr man sie mit Desinfektionsmitteln bekämpft, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie Resistenzen entwickeln oder schwieriger zu behandeln sind.“